11 – El Haya bis Castro Urdiales

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11 – El Haya bis Castro Urdiales

Gesamtkilometer seit Start in Hamburg am 11.05.2022: 1612,680 km
Davon gelaufen: 158,365 km
Davon heute gelaufen: 16,092 km

Auf die heutige Strecke freue ich mich. Mein Rucksack ist leichter als gestern und mir wird immer klarer, was ich in dieser – für mich neuen – Situation, dem Weg, will.

Zu erkennen, in welchen Situationen Unsicherheit auftritt und mein Muster dahinter zu heilen, ist Gold wert.

Zu Hause, in meiner Komfortzone, durfte ich die letzten Monate und Jahre lernen und festigen, was ich jetzt in einer täglich neuen Umgebung umsetze. Hola!

Es ist ein sehr erhabenes Gefühl, jetzt dafür bereit zu sein, das neue ICH in die Welt tragen zu dürfen.

Wo versteckst du dich noch?

Hast du Lust, etwas neues auszuprobieren?

Jedes Mal, wenn du dich im Spiegel siehst, sag JA zu dir.

Wie oft kritisieren wir uns selbst: da ist ein Pickel, so viele Falten, meine Haare liegen heute nicht, wie sehe ich denn wieder aus, … Schluss damit!

Einfach nur JA zu dir jedes Mal wenn du dich siehst.

Am Anfang kann es ungewohnt für dich sein. Es kann sein, dass du es öfter vergisst. Egal! Freu dich darüber, dass es dir aufgefallen ist, dass du vergessen hast, JA zu dir zu sagen. Beim nächsten Mal denkst du wieder daran.

Keine Verurteilung und keine Bewertung, egal wie oft du es vergisst. Nimm es dir einfach jeden Tag und jedes Mal aufs Neue vor: Ich sage JA zu mir.

Such dir ein Datum aus, wie lange du das machen willst. Vier bis sechs Wochen sind ideal, denn so lange dauert es, bis unser Hirn neue Gewohnheiten etabliert hat.

Und genau das ist das Ziel: Du sollst dir immer und zu jeder Zeit dein bedingungsloses JA geben.

Denk daran: JA, wann immer du dich siehst.

Sonnenaufgang. Auch wenn das Hotel zwischen zwei Tankstellen liegt, ist es nachts sehr ruhig. Erst kurz vor acht Uhr morgens sind erste wieder Fahrzeuge zu hören.
Let’s go!

1015 – Auf geht’s! Ich habe die Wahl zwischen der elf Kilometer langen Strecke, die Komoot mir vorschlägt und dem offiziellen Jakobsweg. Hier habe ich noch 18 Kilometer bis zum Etappenende.

Ich wähle den offiziellen Weg. Schließlich bin ich  nicht zum Wandern hier.

Doch erst noch ein Frühstück. Die vierte Tortilla innerhalb 24 Stunden. Auch die vegetarische Auswahl in Spanien ist nicht so vielfältig.

George aus Spanien

Ich komme mit meinem frisch gepressten Orangensaft an den Tisch zurück und der Mann neben mir spricht mich an: Er denkt, ich wäre eine Pilgerin. Wie er wohl darauf kommt? Wir kommen ins Gespräch.

Ich erzähle ihm, dass ich heute erst später den offiziellen Weg gehen werde, am Anfang will ich eine selbstgewählte Alternative ausprobieren, die mich zum offiziellen Weg bringen soll.

Mein Kaffee ist ausgetrunken und ich starte. Ob ich Hilfe brauche, fragt er mich, während ich meinen Rucksack schnalle und zurre. Lächelnd lehne ich ab. Heute ist mein elfter Tag.

Ich gehe um das Haus herum und denke, dass ich mir die Alternative anders vorgestellt habe. Der Weg, der mir angezeigt wird, ist gar kein Weg. Das Gras steht kniehoch. Doch mit gutem Willen ist hier ein Weg erkennbar – er sieht schließlich anders aus als der Rest – und ich stapfe los. Das Gras ist nass, sagen meine Füße.

Auf der Straße hupt es. Kurze Zeit später ruft jemand. Ich drehe mich um – es ist der Herr von gerade eben, beim Früstück.

Er ruft, dass das kein Weg sei und kommt auf mich zu. Ich gehe wieder runter – vielleicht weiß er ja mehr als meine App.

Erneut sagt er mir, wo die beiden Weg verlaufen. Ja, das weiß ich doch. Ich zeige ihm die Wegbeschreibung meiner App. Er wohne hier und niemand geht dort entlang, sagt er.

Ich denke Sätze wie „Dann wird es Zeit, dass man das ändert.“, „Lass mich die erste sein.“ und „Was interessieren mich andere.“, lasse mich jedoch von meinen nassen Socken überzeugen. Wenn die ganzen 1800 Meter so sind, ist er vielleicht doch nicht so schön, der Weg.

Wir kehren gemeinsam zur Straße zurück und er sagt, wenn ich Hilfe brauche, etwas wissen will oder heute Abend in Castro Urdiales Gesellschaft haben möchte, soll ich ihn anrufen. George zittert, als er mir den Anhänger einer Jack & Jones Jeans zusteckt, auf dem er seine Nummer und seinen Namen notiert hat. Irgendwie süß.

Allein dafür, dass er den Mut gefunden hat, mir seine Nummer zu geben, sollte ich mich am Abend mit ihm treffen. Aber das wird nichts, dass weiß ich bereits jetzt.

Der eigene Weg

Ich begebe mich also auf den normalen Weg, der mich zum offiziellen Weg bringen soll. Doch ich kann es heute nicht lassen und nehme auch hier eine Alternative. Effektiver, effizienter, kürzer, schöner. Ich biege ca. 600 Meter früher links ein.

Und wieder spricht mich jemand an. Ein Radfahrer, der mir entgegen kommt. „Camino Santioago?“ fragt er, als er an mir vorbei fährt. Ich bestätige seine Vermutung. „No. No.“ sagt er und zeigt auf den Weg unterhalb von mir. Ich lächle und sage ihm auf englisch, dass ich das weiß. Er fährt weiter.

Ein schöner Weg, ein sehr schöner Weg, den ich mir ausgesucht habe. Und er erspart mir bestimmt zwei zusätzliche Kilometer auf einer asphaltierten, befahrenen Straße.

Wenn die Büsche am Wegesrand den Blick frei geben.
Birgit, einer Freundin von mir, würde dieses Haus in absoluter Alleinlage ganz sicher gefallen. Dachte ich und hielt es in einem Bild fest.
Dieses Blütenblatt in Herzform flog mir heute vor die Füße. Aus diesem und vielen anderen entstand dann das heutige Titelbild.
Selbst das weiße Haus im Hintergrund hat Fenster im Stil der Jakobsmuschel – dem Zeichen des Camino Santiago.
Pause. Fast hätte ich die schon wieder vergessen. Gut, dass ich mich von einem anderen Pilgerer daran erinnert fühlte.
Netter und einladender Rastplatz. Wer sich da wohl hinsetzen mag, zwischen all die Brennnesseln?
Was haben diese Rosen geduftet.
Ich liebe Ruinen. Meine Phantasie, wer hier früher gelebt hat und was mit dem Haus passiert sein könnte, bekommt hier Flügel.
Faszinierende Weite ist auch ohne Meer möglich.

Lieber zu früh gefreut als gar nicht gefreut

Der heutige Weg war nicht nur länger, als ich dachte, sondern auch anstrengender. Kurz vor dem Ende wähle ich erneut eine Alternative und spare mir so bestimmt fünf Kilometer.

Castrop Urdiales empfängt mich.
Mit zwei riesigen Eiskugeln.
So sieht das typische Pilgerinnenzimmer heute aus. Ich bin so glücklich darüber, mein Band mitgenommen zu haben. Es wiegt kaum etwas und in einem kleinen Zimmer finden sich immer zwei Ecken, zwischen denen es aufsgepannt kann.
Nach einer halben Stunde – mit Hunger! – Restaurantsuche gebe ich es auf. Alles, was mir ohne Fleisch und Fisch angeboten werden kann, ist Tortilla. Und auf eine Fünfte innerhalb von 24 Stunden habe ich keine Lust. Ich gehe erneut in den Supermarkt und hole mir Käse, Wein und Salat. Und mache es mir im Raum direkt neben meinem Zimmer gemütlich.

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