Oder: mein vorläufiges Ende auf dem Spanischen Küstenweg, dem Camino del Norte
Oder: Traurigkeit und innerer Frieden können nebeneinander existieren.
Gelaufen auf meinem Camino 1.0 seit meinem Start am 11.05.2022 in Hamburg: 387,317 Kilometer
Mein ganz eigener Weg auf dem Camino del Norte.
Ich wache auf und alles ist gut. Nein, das ist kein Traum, dass alles gut ist. In mir ist, ab dem Moment, in dem ich aufwache, alles gut. Ich bin im Frieden mit dem was passiert ist. Auch wenn ich noch manchmal traurig darüber bin.
Es war gut, mir gestern die Zeit zum Trauern zu nehmen. Meine Art der Verarbeitung.
Tief in mir weiß ich, dass es – der Sturz und seine Folgen – für irgendwas gut war und ist. Auch wenn es sich mir heute noch nicht zeigt.
So viele Synchronizitäten – vor und nach dem Sturz – sprechen dafür, dass das „von langer Hand geplant“ wurde.
Gibt es ihn? Gibt es einen Gott?
Für mich nicht. Ich glaube nicht an den alten, weisen Mann, der da oben sitzt und über alles richtet, was wir hier auf Erden tun. Ich glaube nicht an das Bild, welches die Kirche vermitteln will: Dass du für deine Sünden büßen musst. In den Himmel oder in die Hölle kommst.
Alles nur Märchen, Angst- und Panikmache, um den Menschen gefügig zu machen.
Aber!
Ich bin absolut überzeugt, dass es da draußen, zwischen Himmel und Erde, viel mehr gibt, als wir es uns vorstellen können oder mit unserem Kopf erklären können.
Ich bin überzeugt, dass wir geführt werden. Immer. Und wenn wir es zulassen, können wir es spüren, fühlen und wahrnehmen. Auf die unterschiedlichsten Weisen.
Ja. Ich glaube an das Göttliche. In jedem Einzelnen von uns und allem was ist.
Das Göttliche in uns ist das, was wir wirklich sind: Wahrheit. Und Liebe.
Im Bus sitzend kommen mir nochmal die Tränen, während ich an der Landschaft vorbei fahre. Ich schaue in die App. Ja, hier wäre ich heute lang gelaufen.
Heute bin ich genau vier Wochen unterwegs. Am ersten Tag meiner fünften Woche werde ich wieder zu Hause sein.
Am Flughafen angekommen, merke ich deutlich den Unterschied zwischen Nord- und Südspanien. Hier, in Südspanien, ist die Wärme deutlich trockener und drückender. Ich suche ich ein Café vor dem Flughafen, in dem ich in der Sonne sitzen kann. So will ich gern die fünf Stunden bis zum nächsten Flug verbringen.
Es gibt kein Café, nur ein Restaurant, welches mir nicht zusagt. Also hole ich wieder meinen Regenponcho aus dem Rucksack und mache es mir auf dem Boden bequem. Wasser und Wein hatte ich zum Glück noch vorher besorgt. Und das gegrillte Gemüse vom Abend mit Victoria und Jesus, welches ich nicht geschafft habe und mir einpacken ließ, schmeckt noch immer köstlich.
Hier, auf meinem Platz vor dem Flughafen, fällt auch die endgültige Entscheidung: Ich werde weiter gehen. So, wie meine gestrige Idee es vorsah: Die Kilometer, die ich nicht gelaufen bin, werde ich gehen, bevor ich von Gijón aus weiter gehe.
Im Grunde war die Entscheidung keine wirkliche Entscheidung. Eher war es eine innere Zustimmung. Herz und Kopf in Einheit.
Und ich werde es schon bald tun. Weiter laufen. Schon sehr bald.
Aus dem Abbrechen wird ein Unterbrechen. Dieser kleine Tausch der Vorsilben führt dazu, dass es mir noch besser geht.
Liebe und Frieden machen sich in mir breit.