Die Einheit von Weltlichem und Persönlichem

Für die Worte mancher Länder gibt es keine wirkliche Übersetzung ins Deutsche. Weil sie etwas beschreiben, was jenseits der rationalen Sprache liegt.

Diese Worte sind eher eine Frequenz, die ich wahrnehme und über mehrere Ebenen „verstehe“. Multidimensional. Jenseits des reinen Intellekts.

Und vielleicht ist genau das der Grund, warum es im jeweiligen Land bei diesem einzigen Wort geblieben ist: Weil die Erfahrung selbst nicht teilbar ist.

Wie zum Beispiel:
Grace. Im Englischen.
Saudade. Im Portugiesischen.
Ma. Im Japanischen.

GRACE

Grace in der deutschen Übersetzung ist ANMUT oder GNADE. In meinen Augen zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen: Gnade empfange ich. Anmut strahle ich aus.

Doch vielleicht meint GRACE genau das: Die Anmut, die ich ausstrahle, nachdem ich mich der Gnade geöffnet habe, die Gnade empfangen habe.

SAUDADE

Im Deutschen gibt es dafür kein Wort. Im portugiesischen ist mit SAUDADE diese wehmütige Sehnsucht nach etwas was war, was ist oder vielleicht nie sein wird gemeint. Diese süße Traurigkeit, ja – fast Dankbarkeit. Diese Sehnsucht nach diesem einen ETWAS – egal ob Person, Ort, Zeit oder ganz anders.

Die PortugiesInnen sagen, um es zu verstehen, musst du es fühlen. Ich weiß genau, wovon sie reden. Und was mit SAUDADE gemeint ist.

SAUDADE wird übrigens „sau-DA-dsche“ ausgesprochen, mit Betonung auf der zweiten Silbe.

MA (間)

Auch hier gibt es im Deutschen keine Übersetzung. In Japan drückt MA die bedeutungsvolle Stille zwischen den Tönen, diese kostbare Pause zwischen den Momenten aus.

Die japanischen Ästhetik beschreibt es als den Raum zwischen den Objekten, die Stille zwischen den Tönen, die Pause im Gespräch – die, die nicht peinlich ist, sondern voll wundervoller Bedeutung. Wie ein Atemzug der Zeit.

In der Musik ist MA oft wichtiger als die Noten selbst – diese Spannung und Ruhe zugleich. Auch in der Architektur: der leere Raum, der einem Raum erst seine Seele gibt.

Gemeinsamkeiten

MA und SAUDADE beschreiben etwas, was zwischen den Zuständen liegt – MA zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, SAUDADE zwischen Freude und Melancholie.

Für manche ist GRACE auch so ein Zwischenraum – zwischen Empfangen und Sein, zwischen Hingabe und Stärke.

Für mich ist GRACE jedoch kein Zwischenraum – GRACE ist die Vollendung. Die Anmut in der Gnade erkennen und leben. Nichts, was zwischen zwei Zuständen schwebt – sondern der Raum, wo alles zusammenfällt: Wo die empfangene Gnade und die gelebte Anmut eins werden. Wo es keinen Unterschied mehr gibt zwischen dem, was du empfängst und dem, was du ausstrahlst.

Fado

Die musikalische Seele von SAUDADE ist übrigens Fado. Diese Musik trifft genau diese Gefühlslage – nicht nur Trauer, nicht nur Sehnsucht, sondern dieses ganze Spektrum dazwischen. Die Fadista singt oft mit geschlossenen Augen, als würde sie direkt aus diesem inneren Raum heraus singen, den SAUDADE beschreibt.

Das Interessante ist: Fado kann auch fröhlich sein. Doch selbst dann schwingt diese Wehmut mit – wie bei SAUDADE auch. Es ist, als würde die Musik direkt diese Frequenz übertragen, die keine Worte braucht. Fado verstehst du, auch ohne Portugiesisch zu sprechen, weil es diese universelle emotionale Sprache spricht.

Fado entstand in den Hafenvierteln von Lissabon im 19. Jahrhundert. Wo Menschen lebten, die sich ständig zwischen Abschied und Wiederkehr, zwischen Hoffnung und Verlust befanden. Seefahrer, die monatelang fort waren. Frauen und Kinder, die warteten. AuswandererInnen zwischen den Welten.

Der Prozess der Transformation

Eine poetische Art, Transformation zu beschreiben: Du bist AuswanderIn zwischen den Welten.

Denn jeder Mensch in einem Übergang ist ja irgendwie eine AuswanderIn – zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen alter und neuer Identität, zwischen dem, was war, und dem, was werden will.

Diese Zwischenräume – die oft nur wahrgenommen und mit rationaler Sprache und simplen Worten nicht beschrieben werden können – sind oft die intensivsten Momente des Lebens. Da, wo nichts mehr fest ist und auch das Neue noch nicht da ist. Wo oft die tiefsten Erkenntnisse entstehen – im MA zwischen den Phasen des Lebens.

Auch SAUDADE entsteht genau dort – in diesen Schwellenräumen zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen hier und dort, zwischen dem Selbst, das ich war, und dem, das ich dabei bin zu werden.

Fazit

Vielleicht sind diese unübersetzbaren Wörter deshalb so kostbar, weil sie diese Zwischenwelten benennen, die du, ich, wir alle kennen. Und nur selten in Worte fassen können.

So verbindet sich das Weltliche mit dem Persönlichen. In der Einheit.

Diesen Artikel habe ich zeitgleich auch auf meinem Wachstumsblog veröffentlicht.

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